Autorin: Bente Isenberg
Weihnachten, das Fest der Liebe!
Für die Hausfrau aber auch das Fest der vielen Vorbereitungen, sprich der vielen Arbeit und das nicht nur am Heiligen Abend. Die Zeit der Vorbereitungen fing schon Anfang November an. Das Haus, das Silber und die Kronleuchter im Salon wurden geputzt, alles wurde auf Hochglanz poliert. Stollen, Plätzchen und andere Leckereien wurden in der alten Küche im Keller des Hauses gebacken. Man machte sich Gedanken, wer sich wohl über welches Geschenk freuen würde. Dann die Gedanken in die Tat umsetzen.
Da meine Schwiegermutter 30 Jahre den Ortsvorsitz des Roten Kreuzes bekleidete, machte sie natürlich auch Hausbesuche bei alten, kranken und solchen Menschen, die es nötig hatten. Jeder bekam ein Weihnachtsgeschenk und manchmal auch etwas mehr und einen handgeschriebenen Weihnachtsgruß dabei.
Dies war natürlich auch eine zeitraubende Aufgabe, aber meine Schwiegermutter tat dies sehr gerne und es erfüllte ihr Herz mit Freude.
Meine Schwiegermutter war am Weihnachtsabend „durch mit der Schicht“ und deshalb auch nahe am Wasser gebaut, wenn mal was schief lief.
Aber jetzt mal ganz von vorne!
Auf Gut Kamp gab es damals noch viele Angestellte, es gab die Landarbeiter, die Kutscher und Gespannführer, die Melker, den Gärtner, die Kindermädchen, die Kochmamsell und ein Mädchen, die der Kochmamsell zur Hand ging, die Putzfrau und die Frauen der Landarbeiter, die sich wöchentlich um die Wäsche kümmerten.
Alle wurden ein paar Tage vor dem Heiligen Abend zum „Kaffeetrinken“ eingeladen samt ihrer Familien.
In der Empfangshalle fand die Feier statt. Dort stand auch ein schön geschmückter Tannenbaum, der zuvor mit Pferd und Wagen aus dem „Kamper Busch“ (Wald) geschlagen und abtransportiert wurde.
Es wurden gleich zwei Bäume geholt, einen Baum für die Empfangshalle und einen Baum für den Salon für die Familie für den Heiligen Abend.
Nachdem alle Gäste eingetroffen waren, gab es selbstgebackenen Stollen, Plätzchen, Äpfel, Nüsse und manch andere Leckerei, dazu Kaffee, Tee, Punsch, Grog und für die Kinder selbstgemachten Johannesbeersaft.
Mein Schwiegervater hielt eine kleine Ansprache und meine Schwiegermutter deutete auf die Wichtigkeit und den Grund dieses Festes hin.
Jedes der Kinder bekam ein Geschenk mit Namenskarte, denn es waren viele Geschenke.
Der Gärtner, Herr Stender hatte sich als Weihnachtsmann verkleidet und kam schwer bepackt „von drauß vom Walde“ vor die Haustür und pochte gegen diese.
Die kleinen Kinder waren schon sehr beeindruckt, als dieser vollbärtige Mann im langen Mantel und mit schweren schwarzen Stiefeln bekleidet, die Halle betrat.
Der Weihnachtsmann übergab die Geschenke und bei einigen Knaben wurden noch einige ermahnende Worte mit auf den Weg gegeben. So manch eine kleine oder größere „ Schandtat“ wurde aufgedeckt. Wie konnte dieser alte Mann das alles nur wissen?
Aber letztendlich waren alle glücklich und voller Freude, der Punsch bestärkte natürlich die Freunde und der Glanz in den Augen, der kam nicht nur vom Lichterschein!
Dass es zu keinen Ausfällen kam, dafür hat meine Schwiegermutter schon gesorgt.
Damals hießen meine Schwiegereltern bei den angestellten noch „Herrschaften“! Die Distanz zu den „Arbeitern“ war früher größer als heute.
Es wurden noch ein paar Lieder angestimmt und danach gingen alle beseelt und mit ihren Geschenken unter dem Arm nach Hause.
Der Heilige Abend rückte näher, die Abende meiner Schwiegermutter wurden noch kürzer, für neun Kinder, Mutter, Mann, Schwiegereltern, Geschwister, Schwägerin, Schwager, Nichten, Neffen, Patenkinder, Onkel, Tanten und Freunde mussten die Geschenke eingepackt werden, denn jeder bekam ein Geschenk.
Der Salon, die gute Stube sozusagen…nur etwas größer, wurde ein Tag vor dem Weihnachtsabend abgeschlossen, keiner durfte mehr ins Weihnachtszimmer.
Die Spannung der Kinder stieg. Was wird das Christkind wohl in diesem Jahr bringen?
Am 24.12. fuhr man am Nachmittag mit zwei Autos zur Kirche nach Warder. Auch beim besten Willen bekam man keine 12 Personen in ein Auto hinein.
Nach dem Gottesdienst fuhr man beseelt durch die Worte des Pastors, der natürlich auch noch ein Geschenk bekam, nach Hause.
Alle versammelten sich in der Empfangshalle, zur Erwärmung gab es heißen Tee, Kaffee, Punsch und für meinen Schwiegervater gab es einen steifen Grog. An dem Weihnachtsbaum, der in der Halle stand, brannten schon die Kerzen und die Kinder durften die Patengeschenke, die schon ein paar Tage auf dem großen Schrank verstaut waren, auspacken.
Plötzlich hört man das Läuten eines Glöckchens, das war das Zeichen, dass das Christkind da war!
Das jüngste der Kinder durfte die Salontür öffnen, es war ein sehr festlicher Moment, dort stand nun der große, festlich geschmückte Weihnachtsbaum, die vielen echten Kerzen spiegelten sich in den Kinderaugen wieder. Diesmal war es der echte Lichterglanz!
Als erstes liefen alle auf die Veranda und bedankten sich beim Christkind für die Geschenke und das Wunder der Heiligen Nacht, dass Jesus geboren wurde für uns, der Erlöser, der Retter, der Heiland Gott sei Dank!
Jedes Kind hatte seinen Gabentisch, die Zwillinge bekamen die Kommode. Die Tische waren mit weißen Leinentüchern abgedeckt, sodass die Ablenkung der Kinder beim Vorlesen der Weihnachtsgeschichte nicht allzu groß war. Dies war die Aufgabe meiner Schwiegermutter, die sich ein langes schwarzes Abendkleid, dem feierlichen Anlass entsprechend, angezogen hatte.
Endlich war es soweit, das jüngste Kindchen durfte das Leinentuch von seinem Gabentisch abnehmen und die Geschenke auspacken. Es ging in der Reihenfolge des Alters dann so weiter.
Danach gab es im großen Esszimmer Kartoffeln und Rote-Beete-Salat mit Knackwürstchen und zum Nachtisch Ananas und Pfirsich aus der Dose mit ordentlich Schlagsahne.
Ein wunderschöner Abend neigte sich dem Ende zu, aber schon am nächsten Tag, dem ersten Weihnachtstag, ging die Bescherung weiter.
Die Mutter meiner Schwiegermutter, liebevoll Doßi genannt, wohnte mit im Hause ganz oben unterm Dach.
Sie lud zum Weihnachtsfrühstück ein und wie gesagt gab es bei Doßi für die Kinder noch mal Geschenke.
Welch ein Weihnachtsfest, welch schöne Erinnerungen.
Danke für das Erlebte!
Frohe Weihnachten!
Weihnachten 2021 - Bente Isenberg