Das originelle Weihnachtsgeschenk einer lieben Freundin hat wohl ganz unbeabsichtigt Einfluss auf das Zuchtgeschehen auf unserem kleinen Hof genommen:
ich bekomme 1992 von ihr ein Ticket für den Schaunachmittag des Pferdestammbuchs geschenkt.
Eigentlich bin ich bekennender Großpferdemensch, drei hannoversche Zuchtstuten sorgen hier sporadisch für Nachwuchs und sind meine gern eingesetzten Reit-und Fahrpferde.
So sehe ich diesem Nachmittag mit der Einstellung ,,das wird sicher recht nett'' entgegen.
Am Abend dieses Tages überlege ich nur noch, welche Rasse zu mir passt. Das bunte, fröhliche Treiben, die vielen so unterschiedlichen Pferde und Ponys, das ungezwungene Miteinander der Züchter löst den unbedingten Wunsch in mir aus, dazu zugehören.
1993 ziehen zwei Welsh Cob Jährlingsstuten bei uns ein und erteilen mir erst einmal die grundlegenden Lektionen über walisische Ponys. Der Anblick von Nachbars Kühen bringt eine der Stuten aus der Fassung und sie springt kurzerhand zu den Großpferden über den Zaun. Die zweite denkt, sie kann springen und folgt ihrer Freundin entschlossen unter Mitnahme des Holzzaunes. Ich folge ebenso entschlossen mit neuen Latten, auch wenn ich dafür etwas länger brauche.
Bald ist klar, dass ich zum Züchten und Reiten noch eine dritte Stute brauche.
Welsh Cobs sind zu Beginn der 90er Jahre noch recht teuer, wir bauen gerade unseren Hof auf und um, es gibt so etwas wie die Zementsackwährung: wir haben in diesem Monat noch soundsoviel Geld übrig, dafür bekommen wir so viele Säcke Zement und können weiter bauen. Und ich will ein zugegeben sehr teures Pferd kaufen. Danke für dein Verständnis, lieber Nichtpferde-Ehemann!
Die tragende Rappstute Glanvyrnwy Surprise kommt aus Hessen zu uns. Ihr Besitzer hat sie zweijährig aus Wales importiert. Ihr Fohlen von Stemel Ceidrich wird mit Spannung erwartet und im Frühsommer 1994 bringt sie es klammheimlich vor dem errechneten Termin inmitten ihrer Stutenfreundinnen zur Welt. Merit Cedwyn ist der erste auf unserem Hof geborene Welsh Cob.
Der so bedeutende Tag des Fohlenbrennens naht, ich plane minutiös und bereite alles akribisch vor. Die Brennplätze sind aus „Pferd und Sport“ ersichtlich, Internet kennt man noch nicht, und ich entscheide mich für den Nächstliegenden.
Am großen Tag regnet es das erste Mal seit vielen Wochen, bleibt aber sehr warm, so dass schon die Anfahrt eine schweißtreibende Angelegenheit für Tier und Mensch ist.
Macht nichts, der Platz ist im Nachbardorf, mutet nur sehr ausgestorben an. Wir klingeln mal an der Tür des Wohnhauses. Oje, den Brenntermin haben wir doch abgesagt. Wir dachten, wir hätten allen Züchtern Bescheid gegeben. Euch Hannoveranerzüchter hatten wir gar nicht auf dem Zettel. Okay wieder ins Auto und zum nächsten Brennplatz, da ist die Kommission jetzt. Ist sie nicht. Wir treffen lediglich auf eine kleine Gruppe erschöpfter Helfer, die das gelungene Fohlenbrennen feiert. Oje, die sind schon weg, da müsst ihr zum nächsten Platz fahren.
Also ins Auto und zum dritten Platz. Dort herrscht bereits großer Andrang und wir richten uns auf eine längere Wartezeit ein. Unsere Pferde sind froh nach der Irrfahrt in dieser Waschküchenluft endlich den Hänger verlassen zu dürfen. Cedwyn schaut sich kurz um, um sich dann seelenruhig zu einem Schläfchen ins nasse Gras zu legen. Vom herausgeputzten, feurigen Welsh Cob, dem großen Hengst der Zukunft ist nichts mehr zu erkennen. Auch Surprise, meine Königin der Welsh Cobs wirkt, als hätte sie einen längeren Ritt hinter sich. Mit halb geschlossenen Augen und noch feuchten Schweißflecken bietet auch sie ein Bild des Jammers.
Zu seinem Auftritt müssen wir das Fohlen mühsam wecken. Der Stute ist sowieso schon fast alles egal und sie schlurft matt in Richtung Kommission:
Herr Dr. Gramann, Herr Först, Herr Stien und Frau Dr. Jensen haben uns wohlwollend begutachtet, aber die Kommentare dieser Registrierung bieten schon etwas Luft nach oben; wirkt etwas müde, etwas matt, wenig energisch....
So war der Anfang beim Pferdestammbuch etwas holprig, aber es folgten gelungenere Auftritte und wer weiß, vielleicht könnte ich mich sonst garnicht so gut an mein erstes Welsh Cobfohlen, den späteren Wallach Merit Cedwyn erinnern.
03.08.2020 Christina Roters
Weitere Geschichten von Christina Roters sind hier zu lesen: SUPER INGO und Der Tanz des Synod Rambo