Autorin: Anna-Lena Rübe
Im Sommer 2014 hatten meine lieben Reitschüler es endlich geschafft. Sie haben mir meine tolle Shettystute Klöpschen (Wellenbergs Sarina) abgeschwatzt!
Ich wollte sie eigentlich nicht verkaufen, konnte aber irgendwann nicht mehr nein sagen! Das Fohlen, mit welchem sie hochtragend war, sollte ich nach dem Absetzten zurück bekommen. Klöpschen stand nur wenige Auto-Minuten von mir entfernt und so war ich schnell zur Stelle, als ich Morgens angerufen wurde: „Das Fohlen stand heute Morgen plötzlich trocken auf dem Paddock zwischen allen Pferden!“ es war zugegebener Maßen auch etwas früh dran und Klöpschen hat ihren Besitzern leider keinerlei Anzeichen auf eine baldige Geburt geliefert.
Nun hatten wir den Salat. Das Fohlen war gesund und munter, die Mutter auch. Aber leider wollte sie von ihrem Fohlen nichts (mehr) wissen. Die andren Ponys hatten es ihr vermutlich abgejagt und nun fehlte jegliche Bindung.
Wir gaben unser Bestes, mit Tierarzt und Co. haben wir alle Tricks angewandt, um Klöpschen ihr Fohlen nah zu bringen, aber sie attackierte es regelrecht, ließ es partou nicht trinken, selbst mit unserer sehr intensiven Einwirkung war daran nicht zu denken. Wir molken ab, damit der Kleine die Biestmilch bekam und schlugen unser Nachtlager mit dem Kleinen neben der Box von Klöpschen auf. Stündlich versuchten wir den Kleinen bei Klöpschen anzulegen, aber sie wehrte sich massiv!
Den kleinen tauften wir auf den Namen „Märchenprinz“, wir tränkten ihn mit dem Fläschchen und gaben ihm alle Nähe die er brauchte. Ich war mit meiner Mutter grade beim Prinzen, als mein Handy klingelte: „Fohlenalarm“ stand auf dem Display. Ich guckte zu meiner Mutter und fragte: „Darf der mit in dein Auto?“ Sie schaute erst verwirrt, da ich auf das Fohlen deutete! Antwortete dann aber mit okay! Wir rannten zu ihrem Auto, der Prinz galoppierte und wiehernd hinterher. Am Auto angelangt schnappte ich ihn mir und nahm ihn auf den Schoss, was ihm nicht besonders gut gefiel. Kaum war das Auto auf der Straße ins Rollen gekommen schlief er aber – typisch Baby – ein. Ich rief währenddessen meine Mitbewohnerin an und bat sie nach der Stute zu schauen. Ja, sie ist in der Geburt! Wir rasten die paar KM zu meinem Stall, stiegen aus dem Auto und ich trug das kleine Ponyfohlen die Koppel hoch.
Perla, meine schöne holländische Stute, hatte ihr Fohlen schnell auf der Welt. Es lag neben der erschöpften Mutter als wir ankamen. Finja, meine Stammstute, die mich bereits 5 Jahre lang begleitete, kam mit ihrem 3,5 Wochen alten Stutfohlen auf uns zu galoppiert. Die kleine hatte noch keinen Namen, weil mir einfach noch nichts Passendes einfiel.
Ich stellte den Prinzen zu Perla, schnappte mir die Eihaut des geborenen Rapphengstes und schmierte ihn großzügig damit ein damit er nach Perla roch. Perla stand unterdessen auf und schaute sehr verwirrt die beiden Fohlen an. Sie leckte beide ab und kurz durfte auch der Prinz trinken, was mich sehr freute. Sie roch immer wieder an den beiden Fohlen und es war uns klar, dass sie den Braten roch, dass einer davon nicht zu ihr gehörte. Wir hofften und hofften, aber sie wandte sich von ihm ab und verstieß ihn! Ich war so traurig. Hatte so gehofft, dass er so wenigstens die soziale Anbindung erhalten würde die ihm so keiner von uns Menschen bieten konnte.
Enttäuscht setzte ich mich, als mir auffiehl, dass meine Mitbewohnerin und gute Freundin Marie scheinbar schon eine Weile ihre Mühe hatte meine Finja von dem Spektakel fern zu halten. Ich winkte ihre Bemühungen ab und versicherte ihr, dass Finja nichts tun würde und ruhig dazu könnte.
Finja ist eine tolle Mutterstute, ich kenne sie schon lange und sie hatte bereits tolle Fohlen bei mir. Finja hat bisher immer in der Box abgefohlt, dieses Jahr hat sie sich während einer Grillparty im Garten überlegt, den Gästen ein besonders Erlebnis zu gönnen und hat uns ihr Fohlen vor vielen Zuschauern geboren! Wenn sie mit ihren Fohlen zum ersten Mal auf die Koppel kommt, dann wirft sie immer auf die gleiche Weise ihren Kopf zurück und galoppiert los, stoppt, schaut sich nach dem Fohlen um und wiederholt dies so lange, bis das Fohlen mit galoppiert. Das kann schon mal 2-3 Versuche dauern weil die Fohlen sich so schnell gar nicht sortiert bekommen und ja auch noch nicht so gut gucken können, wenn sie erst ein paar Stunden alt sind.
Finja kam zu uns dazu, sie roch an dem nassen Prinzen, der nach Perla roch. Sie begann ihn abzulecken, während der Prinz stocksteif stand – hatte er bisher ja nicht die beste Erfahrungen mit schwarzen Shettys (wie seine Mutter und Perla es auch waren) gemacht. Sie leckte und leckte ihn mit einer Engelsgeduld das Fell wieder trocken und brummelte ihm sanft ins Ohr. Sie hatte so große sanfte Augen, so von Liebe erfüllt. Ihr, schon fast ein Monat altes namenloses Fohlen, tollte neben den beiden herum und amüsierte sich über sich selbst. Als der Prinz fast trocken war, stackste er vorsichtig ihre Seite entlang und schob seine Schnauze ihre Flanke entlang zu ihrem Euter, wir hielten den Atem an. Finja stellte ihr Bein aus, machte ihm den Weg damit noch leichter und ließ ihn in aller Ruhe lange trinken bis er satt war. Uns stand der Mund offen! Und dann passierte etwas noch großartigeres. Finja warf den Kopf zurück und galoppierte los, ihr namenloses Fohlen galoppierte mit, Prinz aber stand natürlich weiterhin da. Finja bremste ab, schaute sich zu ihm um, kam grummelt zurück und wiederholte ihren Versuch 4 oder gar 5 Mal bis sie verstand, dass er nicht verstand. Dann gesellte sie sich einfach zu ihm und fraß um ihn herum. Wie selbstverständlich ging er noch einmal ans Euter und wie selbstverständlich ließ sie es zu. Wir waren erstaunt, erleichtert, fassungslos und glücklich. Mir liefen die Tränen und ich hatte den richtigen Namen für das namenlos Stutfohlen meiner wundervollen Finja, die an diesem Tag große Schwester wurde. Sie sollte „Freudentanz“ heißen – denn danach war uns allen!
Finja, Märchenprinz und Freudentanz waren die süßeste Patchwork-Familie, die ich je gesehen hatte. Freudentanz übernahm für ihren kleinen Bruder verantwortungsvolle Aufgaben, wenn er sich verlaufen hatte z.B., so lief auch sie manchmal los um ihn wieder einzusammeln und auch kam es vor, dass sie über ihm wachte wenn er schlief!
Leider hatte Finja langfristig nicht genug Milch, für beide Fohlen. Wir mussten daher mit Milch-Pulver zufüttern, was dem Kleinen gar nicht schmeckte. Er war definitiv körperlich Entwicklungsverzögert, heute aber ist er ein wunderschönes, kräftiges, gesundes Shetty mit einem absolut perfekten Sozialverhalten – und das habe ich meiner herzensguten Finja zu verdanken!
Prinz ist heute übrigens geliebtes Reit- und Fahrpferd einer sehr sehr süßen kleinen Maus, die voller Begeisterung mit ihrer Mutter das Reiter- und Fahrerleben genießt! Wir haben regelmäßigen Kontakt und ich freue mich immer wieder zu sehen, was Finja da geschafft hat! Sie hat dieses hilfsbedürftige Wesen einfach adoptiert, obwohl ihr ganz sicher bewusst war, dass es nicht ihr Fohlen war!
09.07.2020 Anna-Lena Rübe vom Gestüt Rosental