Autorin: Bente Lück
Vor 19 Jahren besuchte ich einen Schleswiger Kaltblutzüchter in Torsballig, um mir ein Fohlen anzusehen. Ein kleines Fohlen stand in der Ecke der Weide und schaute mich mit großen Augen an.
Da wir schon eine 3-jährige Schleswiger Stute hatten, sollte das Stutfohlen unsere zweite Schleswiger Stute werden. Wir wurden uns schnell einig, und das Fohlen zog zu uns auf den Olenhof. Sie bekam den Namen Vossi, weil ich eine geborene Voss bin und Vossi in meiner Jugendzeit mein Spitzname war.
Jahre später bei der Jubiläumsfeier in Jübek, erzählte mir der Züchter, dass Vossi bei der Geburt viel zu klein war, und keiner damit gerechnet hatte, dass sie überlebt. Sie hat überlebt und sollte seitdem mein Leben begleiten und das beste Pferd im Stall werden.
Als 3 jährige Stute habe ich sie dann in Nortorf vorgestellt. Beim Messen: 148 cm. Das war ja für einen Schleswiger viel zu klein. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass jemand, der neben mir stand sagte: „Bente, nimm sie raus und stelle sie nächstes Jahr vor.“ Das war mir aber egal, weil ich ja nun heute da war und ich wollte doch nächstes Jahr nicht wieder den Aufwand betreiben. Und außerdem bin ich selbst auch nicht so groß und dann passt das doch. So bekam sie also eine nicht so tolle Bewertung, aber für mich war es ja noch immer ein tolles Pferd. Und außerdem konnte ich mit der Größe ja auch bei Pony-Wettbewerben mitmischen…..
Viele Schleswiger Kaltblutpferde folgten und kamen und gingen. Vossi bekam auch einige Fohlen, die jedoch nie eine herausragende Bewertung erhielten. Aber alle Nachkommen haben ihr lustiges Gemüt bekommen. Und wenn ich schreibe lustig: Ich war mit ihr beim Landesbreitensportturnier in Bad Segeberg zum Einritt der Stafetten-Reiter. Vossi stand auf der Stelle und galoppierte am durchhängenden Zügel. Eine Bekannte kommentierte: „Ey, Bente, das sieht toll aus, wie dein Pferd Pirouetten gehen kann“. Völlig ungewollt natürlich, aber immer händelbar.
Da ich auch Reiten für Behinderte anbiete, wurde Vossi auch mal dafür eingesetzt, als mein Schleswiger Wallach, den ich bisher nutzte, ausfiel. Meine ersten Bedenken wurden weggefegt, da Vossi sich hier von einer ganz anderen Seite zeigte. Mit einer Engelsgeduld wartete sie ab, bis die Klienten auf ihrem Rücken saßen und dann trottelte sie los. Einmal fiel ein Spatz auf ihren Hals, als wir einen Klienten durch die Halle führten und sie hat kurz ihren Kopf gehoben, und wir haben uns alle sehr erschrocken, aber sie blieb ganz ruhig und blieb sofort stehen. Da wurde mir bewusst, dass einige Pferde eine tolle Gabe haben: Ich muss auf meinen Reiter aufpassen.
Als ein Fernsehteam anrief für einen Filmdreh für einen Tatort fiel die Wahl auch sofort auf Vossi, und auch für eine weitere Anfrage für einen Dreh vor der Kutsche für den NDR war es keine Frage, welches Pferd dafür genutzt wird.
Als eine Freundin vom Pferdesportverband vor kurzem anrief, um nach einem Pferd zu fragen, was sie für einen Zeitungsbericht für die „Zeit“ brauchte, fiel die Wahl natürlich auch auf Vossi; zumal ich ja auch mit ihr in Polen war, wo wir die Flucht-Strecke von Marion von Dönhöff mit Planwagen nachfuhren. Marion von Dönhoff war ehemals die Chefredakteurin von der „Zeit“. Das war ja dann auch ein lustiger Zufall.
Vossi ist also das Pferd, was mich seit fast meinem halben Leben begleitet und ich hoffe, dass wir noch viele Jahre miteinander verbringen werden.
Aber auch andere Geschichten gibt es von den Schleswiger Pferden auf dem Olenhof zu berichten:
Ein Züchterkollege beschloss einmal, dass ich als Stutenbesitzer doch auch mal einen eigenen Hengst haben sollte. Er fuhr mit mir zu einer Koppel in Handewitt um mir 2 zweijährige Hengste zu zeigen. Beide gefielen mir ganz gut, und ich meinte, ich würde den kaufen, der gekört wird. Dann wurden beide gekört und der Besitzer der Hengste teilte mir den dunkleren „Ferrero“ zu.
Man muss dazu sagen, dass ich bei dem Züchter ein Jahr später auch eine Stute kaufte, die ich mir nicht ausgesucht hatte, sondern die er mir zugeteilt hatte. Er rief mich irgendwann an und sagte: „Du kannst bei mir eine Stute kaufen.“ Ich fuhr also hin und schaute mir die Stute „Gucci“ an. Sie gefiel mir sofort und nächsten Tag kam ich mit dem Pferdeanhänger. Er sagte dann zu mir: „Ich habe es mir anderes überlegt. Du bekommst Bonja“ Widerrede war zwecklos. Und wenn mir Bonja zugeteilt wurde, dann sollte es wohl so sein.
Ferrero wurde dann 2017 Bundessieger der Bundeskaltblutschau in Berlin und auch mit Bonja bin ich sehr glücklich. Sie passt sehr gut zu mir und zu meinen anderen Pferden, so dass ich die Entscheidung darüber, dass mir dieses Pferd zugeteilt wurde, nie bereut habe.
Mit den Pferden Vossi und Bonja fahre ich Hochzeiten und Planwagentouren und das ist mein Traum Gespann. Auf die Beiden ist immer Verlass und sie haben mich nie in Stich gelassen. Ich hoffe, dass Bonjas Tochter Jasira mein neues Verlass Pferd wird, weil Vossi ja auch älter wird und bis Jasira ein sicheres Reit- und Fahrpferd wird, werden ja noch einige Jahre vergehen.
Dies war nur ein kleiner Einblick von den vielen Aktivitäten und Geschichten, die man tagtäglich mit und bei der Arbeit mit den Pferden erlebt. Das gemeinsame Interesse verbindet über Grenzen hinweg und man lernt so viele interessante Menschen und Tiere kennen, wenn man sich für eine Sache begeistert. Ich glaube, dass ich ohne die Liebe zu den Schleswiger Pferden nie so viele tolle Erlebnisse gehabt hätte.
Kommt alle gesund durch die Corona Zeit.
08.06.2020 Bente Lück vom Olenhof