Anfang der 80ziger starteten wir mit unserer Islandpferdezucht Vossbarg. Viel Ahnung hatten wir damals nicht, jedenfalls nicht über Zucht.
Auch nicht, wie das ganze Prozedere mit dem Vorstellen und Eintragen bei einem Stammbuch – als Schleswig-Holsteiner war für uns das Pferdestammbuch SH zuständig - funktioniert. Na ja, wie man halt so anfängt, wenn man auch mal ein Fohlen züchten will: im wahrsten Sinne des Wortes reingestolpert in das Abenteuer Pferdezucht. Aber daüber werde ich irgendwann in einer anderen Geschichte erzählen.
Sehr schnell wuchs mein Interesse an der Zucht und ich wollte möglichst viel, eigentlich alles!!! lernen, z.B. auch über Pferdebeurteilung. Ich dachte, immer nur Islandpferde anschauen, bringt mich nicht weiter. Unbedingt wollte ich Wissen ansammeln über alle anderen im Pferdestammbuch beheimateten Rassen. Die Zuchtrichterausbildung, die wir heute haben, gab es damals noch nicht.
Irgendwann traute ich mich, in Kiel im Büro anzufragen, ob es möglich sei, mal bei so einer Fohlentour mitzufahren, um zu lernen. Zunächst war absolutes Schweigen auf der anderen Seite, keine Ahnung, ob meine Frage ungewöhnlich war oder ich die Ruhe im Büro störte. Ich bat auch ausdrücklich darum, bei einer Tour dabei zu sein, bei der andere Rassen und nicht gerade Islandpferde registriert und gebrannt wurden.
Dann dauerte es eine gewisse Zeit, aber irgendwann kam der Anruf, ja nun könne ich mal einen Tag mitfahren.
Huiii das war schon sehr spannend und zunächst auch wirklich aufregend, an der Seite dieser Eintragungskommission, geleitet von Gerd Gramann, zu stehen. Also..ich stand mehr so im Hintergrund... Ich weiß nicht, wer noch in der Kommission dabei war, aber irgendwie waren sie schon sehr wichtig und Respekt einflößend. Zunächst schien es so, als wüssten die Herren gar nicht, was sie nun mit mir machen sollten. Es war also eher Schweigen angesagt. War ihnen ja vielleicht auch suspekt, dass eine Frau an ihrer eingeschworenen Männerrunde teilhaben wollte. Ich traute mich dann, die eine oder andere Frage zu stellen. Und langsam kam der Tag in Schwung und die Kommission wurde von Hof zu Hof fröhlicher, lustiger und gesprächiger. Entspannt waren sie ja sowieso und Zeit hatten sie genug.
Ich konnte Fjordfohlen, u.a. Nachkommen des Hengstes Draubach erleben, den Hengst Draubach hab ich vielleicht auch gesehen, Reitponys wurden beurteilt und gebrannt und zum Abschluss waren wir in Travenort bei Jutta Düring-Rüder, ihren Shetlandponys und saßen nach getaner Arbeit im Herrenhaus im großen Speisezimmer bei Kaffee, Kuchen und kleinen alkoholischen Kaltgetränken, denen die Kommission fleißig zusprach.
Im Laufe der Jahre sind die meisten meiner Erinnerungen an diesen aufschlussreichen Tag eher verschwommen. Aber zwei Dinge habe ich nicht vergessen und deutlich im Blick. Erstens habe ich Kommission sehr bewundert für ihre Standfestigkeit und wie ich glaube für ihren durchgehend klaren Blick auf die Pferde. Denn auf jedem Hof wurde nach der Arbeit mit einem Kurzen oder auch zwei angestoßen. Kein Wunder, dass die Stimmung immer fröhlicher, lustiger und gesprächiger wurde. Und nein, ich hab nicht mitgetrunken.
Aber das Allerbeste, was mich und meinen Blick auf Pferde nachhaltig geprägt hat, waren die Sätze von Gerd Gramann, die er mir damals mit auf den Weg gab: „Wenn ein Pferd /Fohlen in die Bahn kommt, schau sofort hin und entscheide schnell, ob gut, mittel oder eher nicht so gut . Meistens sieht man das in den ersten Momenten. Danach kann man noch etwas gucken, warum das so oder so ist. Und schon ist eigentlich eine Beurteilung fertig. Guck nicht zu lange auf einem Pferd herum. Fehler zu sehen ist sowieso ganz leicht. Werde nicht zum Fehlergucker!“
Diese Worte habe ich bis heute im Ohr, wenn ich auf Pferde schaue. Danke Gerd Gramann dafür!
12.05.2020 Jutta Schlüter
PS. Leider gibt es von dem Tag damals keine Bilder, daher sind hier spätere Bilder zu sehen.