Autorin: Marina Müller von Blumencron
Der Birth-Alarm und ein geplatztes Geburtstagsessen
Auf dem Islandpferdehof Blumencron züchten wir seit 2004. In den ersten Jahren kam allerdings meist nur je ein Fohlen zur Welt - und alle Geburten waren immer problemlos verlaufen. Dann planten wir größere Jahrgänge - und wir stellten die Überlegung an, dass mit wachsenden Zahlen auch die Wahrscheinlichkeit steigen würde, dass mal eine Geburt nicht ganz von selbst geht.
Also wurde ein Birth-Alarm angeschafft. Das ist ein Gurt, den die Mutterstute ähnlich wie einen Longiergurt umgelegt bekommt. Ein kleines Gerät auf dem Rücken nimmt das Verhalten der Stute war und ruft per eingebauter SIM-Karte die eingespeicherte Nummer an, wenn klassisches Wehenverhalten eintritt: Hinlegen, Aufstehen, wieder hinlegen, vielleicht wälzen, aufstehen, auf die Seite legen. ,Top‘, dachten wir und das Frühjahr kam.
Dieses Jahr waren wir also immer sofort zur Stelle, wenn ein Fohlen geboren wurde. Meist erschienen wir, wenn es gerade frisch herausgeklettert war. Erneut verliefen alle Geburten problemlos.
Dann kaufte ich mir eine neue Zuchtstute - weil man nie genug Pferde haben kann als Züchter. Auch sie bekam im folgenden Frühjahr den Gurt umgelegt, als ihre Geburt nahte. Gleich zwei Stunden später erhielt ich einen Anruf vom Birthalarm und freute mich schon über das Timing! Gleich auf das Fahrrad gestiegen, über die Weide geradelt und die Stute besucht - und kein Fohlen in Sicht. Hä? Hm. Definitiv noch dick und rund. Das Kleine lag also auch nicht irgendwo leblos im Gras. Egal. Wieder zum Hof geradelt und weiter gemacht, wo ich stehen geblieben war.
Am nächsten Tag hatte ich Geburtstag. Wir kehrten im Familienkreis in der Maräne ein. Einem Restaurant am Schalsee, welches eine delikate Küche zu bieten hat und welches man nur zu besonderen Anlässen besucht. Wir alle bestellten. Dammkalbsahneragout, Wildschwein, Zander, Salate vorweg und alles was dazu gehörte. Dann warteten wir eine guten halbe Stunde. Der Kellner begann zu servieren - und es klingelte das Telefon.
Ich sprang auf: „Das Fohlen kommt, wir müssen nach Hause!“. Der Kellner schaut verdattert von einem zum anderen. Mehrere greifen nach ihren Jacken und laufen hinaus zum Parkplatz.
Wir waren auf zwei Autos verteilt zum Restaurant gefahren. Es durften nicht mehr Personen hier bleiben, als in einem Auto zurückfahren konnten und nun gab es ein kurzes Hin- und Her. Dann hatten wir uns sortiert und das erste Auto fuhr mit der Vorhut flott nach Hause. Wir hofften, dass alles glatt gehen würde. Keiner von uns war auf einen erneuten Fehlalarm eingestellt. Schließlich hatte es das ja bei noch keiner anderen Stute zuvor gegeben und ein Anruf bedeutete IMMER eine Geburt. Und doch war es so. Der Fehlalarm meiner Stute hatte mein Geburtstagsessen platzen lassen. Was tut man nicht alles für seine Pferde?
Die Stute und ihr kommendes Fohlen waren so wichtig für mich gewesen, dass es sich inzwischen ganz meiner Erinnerung entzieht, wie eigentlich mit den leckeren Gerichten in der Maräne vorgegangen worden war. Hatten die Verbliebenden jeweils zwei Portionen vertilgt? Zuzutrauen wäre es ihnen.
Bis heute tragen unsere Stuten noch diesen Gurt vor den Geburten. Und tatsächlich hat es ein Fohlen gegeben, was heute vielleicht nicht jeden Tag aufs Neue seine Besitzerin erfreuen würde. Es war nämlich eine geringgradige Frühgeburt und dementsprechend zittrig. Es konnte auch nicht gleich aufstehen und trinken. Zuerst haben wir es mit abgemolkener Muttermilch ernährt und nach eineinhalb Stunden konnte es aufstehen. Dann haben wir es noch einen Tag lang alle zwei Stunden zur Mutter gestubst und so kontrolliert, dass es wirklich genug zu sich nahm. Nach drei Tagen und bis heute lebt es ein gesundes, fittes Leben - und wir sind sehr glücklich, dass wir den Birth-Alarm haben.