Eine Reise nach Kirgisistan an der Grenze zu China - Gedanken zur Dressur von Tieren
Autor: Jochen Bettaque
Seit Jahren nehme ich Studentinnen der Landwirtschaft aus Osteuropa und Mittelasien in meinem Betrieb auf. Sie absolvieren bei mir ein 6-monatiges Praktikum, lernen Deutsch und sehen sich ein bisschen um.
Sie bringen mir neben ihrer Arbeit interessante und intensive Erfahrungen und bald entstand bei mir der Wunsch, diese mutigen jungen Studentinnen mal in ihrer Heimat zu besuchen. Alle haben mich in ihre Familien eingeladen. So reiste ich schon an die mittlere Wolga, ans Kaspische Meer, in den Kaukasus und nach Kirgisistan an der Grenze zu China.
Dort besuchte ich Aichurok auf dem Betrieb ihrer Familie, einsam gelegen in baumloser Steppe auf 2500 Metern Höhe. Man züchtet Pferde, Rinder und Schafe und es gibt ein paar Hühner. Die Tiere werden auf dem Viehmarkt verkauft. Im Winter stehen die Tiere am Hof und werden zugefüttert, es ist bitterkalt, windig und verschneit. Im Sommer werden die Herden höher in die Berge getrieben, wo die Familie angestammte Weiderechte hat. In dieser wegelosen Steppe wird überwiegend das Pferd zur Fortbewegung benutzt, dafür steht stets ein Pferd gezäumt und gesattelt an einem Pfahl bereit. Die Kinder reiten täglich 3 Kilometer ins Dorf zur Schule, die alle Kinder - bis hin zur Hochschulreife - unterrichtet.
Wir besuchten eine Stutenherde in den Bergen: etwa 15 Stuten mit Saugfohlen bei Fuß und ein Hengst. Die Haltungsform war für mich nur schwer erträglich: an einem langen stramm gezogenen Seil werden alle Fohlen kurz angebunden. Sie können stehen oder liegen, mehr nicht. Ihre Mütter stehen dicht bei ihnen, um ihnen etwas Schutz vor der Sonne zu geben, sie verlassen ihre Fohlen nur zum Fressen.
Das Futter in den Bergen ist mehr krautig als grasig.
Welche Pferderasse ist das? Meine Frage erzeugte Ratlosigkeit..“Mongolische Pferde“ Tatsächlich sind die Pferde eher klein mit trockenen Beinen und drahtigem Körper, alle Farben außer Schecken kommen vor.
Die Kirgisen lieben Reiterspiele, dabei wird wild und rücksichtslos um ein blutiges Ziegenfell gekämpft. Sieger ist, wer das Fell an sich reißen kann und aus rasendem Galopp in eine Tonne werfen kann. Verletzungen sind nicht selten und werden sportlich genommen. Das Haus der Familie ist mit dicken Wänden aus Lehm gebaut. Eine Heizung konnte ich nicht entdecken. Es gibt keine Stühle, man sitzt auf dem Boden. Geschlafen wird auf dicken Decken auf dem Boden. Gekocht wird auf einem Lehmofen mit getrockneten Kuhfladen, was einen beißenden Rauch erzeugt. Das Essen ist reich an Fleisch und arm an Gemüse und immer reichlich.
Mir zu Ehren wurde die alte Jurte aufgebaut und festlich hergerichtet. Es gab ein großes Festessen, ich hatte den Ehrenplatz gegenüber vom Eingang und musste alles probieren. Hinterher musste ich aber einen Schlaf zur Verdauung einlegen, weil mein Kreislauf wegen der großen Höhe nicht mehr mitkam. Ich könnte noch viel mehr erzählen, es war eine wunderbare Reise zu rührend netten Menschen.
25.06.2024 Jochen Bettaque