Autorin: Bente Isenberg
Am 13. März 2021 konnten wir in Teil VII der Geschichte von Gut Kamp über den Hengst Odin – den ersten jütischen Hengst nach dem Krieg in Deutschland - lesen
Odin‘s neues Zuhause war nun Kamp und allerhand „Arbeit" wartete auf ihn.
Aber Odin hatte große Probleme mit seinem neuen Zuhause, alles war so anders!
Der Stall war ihm fremd, fremde Pferde, fremde Gerüche, fremde Menschen und dann noch diese Sprache!
Odin hatte Heimweh und dies zeigte er uns ganz deutlich. Er riß die Boxentür oben aus dem Ständer und war schweißgebadet vor Aufregung.
Er wollte nach Hause.
Um ihn abzulenken, kümmerte ich mich etwas um Odin, führte ihn über den Hof, ging mit ihm spazieren, legte ihm einen Sattel auf seinen Rücken und fing an, ihn einzureiten.
Im Schritt klappte es schon ganz gut, nun wollte ich ja auch mal spüren, wie sein 2. und 3. Gang sich anfühlte.
Ich machte einen Ausritt mit Odin und kam dabei an einem frisch gepflügten und geeggten Acker vorbei. Das ist die Gelegenheit, dachte ich. Das Odin mit Sicherheit seine 850 kg auf die Waage brachte und damit als nicht sonderlich „leichtfüssig“ bezeichnet werden konnte, würde der weiche Boden seine Bocksprünge gut abfangen.
Also los denn, Galopp marsch!
Ich trieb Odin an und tatsächlich gab es ein paar Bocksprünge, dabei sackte er tief in den frisch bearbeiteten Acker ein.
Schnell merkte Odin, dass diese unkontrollierten Bewegungen anstrengend waren.
Nach einer kurzen „normalen“ Galoppstrecke schalteten wir in den 2. Gang und trabten dem Ende des Ackers entgegen.
Beim Zurückblicken war ich doch sehr erstaunt, welch tiefe „Fußspuren“ wir hinterlassen hatten.
Wem der Acker wohl gehörte?
Dies sollte ich sehr schnell am nächsten Tag erfahren.
Ein etwas zerknirschter älterer Bauer aus Travenhorst, Wilhelm Klüver war sein Name, fuhr mit seinem Daimler den Mittelweg hinaus und schilderte meinem Schwiegervater den Fall.
Bei den großen Löchern auf seinem mit Sommerweizen frisch bestellten Acker konnte es nur ein Schleswiger aus Kamp gewesen sein. Doch wer war der Übeltäter?
Mit gesenktem, hochroten Kopf bat ich Herrn Klüver vielmals um Verzeihung und verkündete ihm, dass ich den Schaden beheben werde.
So machte ich mich, mit einer Harke bewaffnet, auf den Weg und harkte jedes einzelne „Trittsiegel“ wieder zu.
Der Acker kam mir viel länger vor als beim Reiten!
Endlich war „mein Werk“ vollbracht. Zufrieden und mit Blasen an den Händen trottet ich gen Kamp.
Ich wurde natürlich von allen auf dem Hof lebenden Menschen belächelt und aufgezogen. So ist das eben, da muß man durch.
Am nächsten Tag kam Herr Klüver schon wieder auf den Hof gefahren!
War meine Harkaktion fehlgeschlagen? Hatte ich Löcher übersehen, nicht ordentlich gearbeitet? Mir wurde ganz anders zu Mute, zum Davonschleichen war es zu spät.
Herr Klüver hatte mich schon im Visier.
Nützt ja nix, dachte ich, lächelte und ging meinem Schicksal entgegen.
Herr Klüver drehte mir den Rücken zu, denn er holte etwas aus seinem Auto.
Als er sich umdrehte, überreichte er mir eine langstielige rote Rose und lächelte mich ebenfalls an.
Ich war entzückt und mächtig erleichtert, bedankte mich mehrmals und ging stolz wie Bolle über den Hof mit meiner langstieligen roten Rose und dann ins Haus.
Herr Klüver und ich begegneten uns das eine oder andere Mal beim Autofahren und immer lächelten und winkten wir uns freundlich zu. Uns verband ein Ereignis der besonderen Art, was man sein ganzes Leben lang nicht vergisst.
14.04.2021 Bente Isenberg