Von der Schättruum-Seite des Bauernblatts - Ausgabe 11/2021. Wir danken dem Bauernblatt, für die Erlaubnis an dieser Stelle zu veröffentlichen.
Dass Mädchen in Pferde vernarrt sind, ist nichts Außergewöhnliches. Warum aber begeistert sich ein kleines Persönchen wie Gesche Petersen ausgerechnet für die mächtigen Schleswiger Kaltblüter?
Das hat sie uns bei einem Besuch auf ihrem Resthof in Leckfeld-Nord verraten.
Auf dem Küchentisch steht ein frisch aufgebrühter Roiboostee und in der heißen Hexe flackert ein warmes Feuer. Freudig begrüßt uns Socke, ein Berner-Sennen-Golden-Retriever-Mix. „Er passt super hierher“, wie uns Gastgeberin Gesche Petersen erklärt, „charakterlich ist er wie ein Schleswiger Kaltblutpferd, unheimlich gutmütig und immer leistungsbereit.“ Außer Hund Socke, zwanzig Kaninchen, fünf Thüringer Waldziegen und einem Pony leben auf ihrem Resthof in Nordfriesland fünf Schleswiger Kaltblüter. Hango und Merlin gehören ihrem Nachbarn Hans-Martin, Elegance und ihr Fohlen Orchidee ihrem Vater Gert und Mimi Muschel ist ihr Pferd. Weil alle drei Petersen heißen und niemand so recht auseinanderhalten kann, welches Pferd nun zu wem gehört, firmiert das Besitzertrio der Einfachheit halber unter Team Petersen.
„Die Tiere und der Hof sind mein Hobby“, so die gelernte Landwirtin und milchwirtschaftliche Laborantin, die als Betriebshelferin und als einzige Frau eines fünfköpfigen Teams beim Maschinenring Südtondern arbeitet, „immer wenn Not am Mann beziehungsweise in meinem Fall an der Frau ist, springen wir ein und helfen aus.“ Die Einsätze auf den landwirtschaftlichen Betrieben reichen von einem Tag bis zu acht Wochen. Einen festen Arbeitsplatz hat sie nicht und sie muss sich immer auf neue Situationen einstellen. Gerade das macht ihr Spaß. Sie steht kurz vor Abschluss einer Ausbildung zur Agrarbetriebswirtin und ist schon ganz ungeduldig: „Am 16. Juni ist Prüfung, dann kann ich selbst Aufgaben eines Betriebsleiters übernehmen.“
Vom Opa angesteckt
Als junges Mädchen begleitete sie ihren Opa auf seinen Kutschfahrten mit Schleswigern im Gespann. Sie war total fasziniert von den kräftigen und doch so sanftmütigen Tieren und so entstand ihr Wunsch, einen eigenen Schleswiger zu besitzen. Damals hätte sie dafür ihr Pony Joker hergeben müssen, denn ihre Eltern meinten, dass ein Pferd genüge. Das brachte sie denn doch nicht übers Herz, denn Joker ist ihr vierbeiniger Begleiter und Sportsfreund, seitdem sie zehn ist. Die beiden sind Mounted Games geritten und noch heute nehmen sie an Ringreiterwettbewerben teil. „Zum Glück bin ich nicht so groß geworden, so dass ich nicht aus dem Pony raus gewachsen bin“, spielt die 25-Jährige verschmitzt auf ihre Körpergröße an. Der Großvater, selbst ein überzeugter Anhänger des Schleswiger Kaltbluts, verstand ihre Begeisterung nur zu gut. In jungen Jahren betrieb er eine Hengststation mit fünf stattlichen Schleswiger Kaltbluthengsten. Indem er den Kontakt zu Hans-Martin Petersen herstellte, fand er einen Ausweg für Gesches Dilemma: „Der lässt dich bestimmt seine Schleswiger fahren und reiten.“
Auf Anhieb verstanden sich die beiden prächtig, nicht ahnend, dass sie einmal Nachbarn in Leckfeld-Nord werden sollten und Hango und Merlin, Hans-Martins Pferde, auf Gesches Hof ziehen würden. Er zeigte dem jungen Mädchen alles, was ein Schleswiger kann. Und das ist ganz viel. Nicht nur vor der Kutsche machen die imposanten Pferde eine gute Figur, sondern auch beim Reiten mit und ohne Sattel oder sogar mit Damensattel. Trotz ihres massigen Körperbaus – sie können bis zu 900 kg auf die Waage bringen – meistern sie allerhand Geschicklichkeitsübungen mit Bravour. Auch beim Ringreiten sind sie verlässliche Partner. Selbst Fußballspielen gehört zu ihrem Repertoire, nicht zu vergessen ihre Königsdisziplin: das Holzrücken. Insbesondere im unwegsamem Wald- und Naturschutzgebiet, wo schweres Gerät streikt oder erst gar nicht eingesetzt werden darf, haben sich die Schleswiger Kaltblüter bewährt, um Wege von umgestürzten Bäumen und herabgefallenen Ästen zu befreien. Deshalb werden sie heute wieder als Holzrückepferde in der Forstwirtschaft und in Baumschulen eingesetzt. Gesche Petersen geht dreimal im Jahr mit „ihren“ Schleswigern zum Holzrücken in den Wald. „Man braucht wirklich nicht viel Kraft, um sie zu bedienen“, berichtet die zierliche Gesche, „sie sind immer kooperativ und wissen ganz genau, was zu tun ist.“
Härtetest beim Motocross
In ihrer Freizeit engagiert sie sich im Verein der Schleswiger Kaltblutzüchter, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, diese vom Aussterben bedrohte Pferderasse zu bewahren. In Schleswig-Holstein ist sie noch am meisten präsent.
Jedes Jahr präsentiert sich der Verein mit einem Kaltblutvierkampf auf dem Breitensportturnier in Bad Segeberg, auch als Pferdefestival des Nordens bekannt. 2013 holte sich Gesche Petersen mit Hango auf Anhieb den Sieg in der Jugendklasse. Bei ihrem ersten Start 2016 in der Erwachsenenklasse musste sie sich noch mit dem zweiten Platz begnügen, doch in den darauffolgenden Jahren war sie unschlagbar. Von 2017 bis 2019 wurde sie dreifache Seriensiegerin. Aber es geht nicht so sehr um Pokale und Schleifen, viel wichtiger ist es, das Schleswiger Kaltblut in der Öffentlichkeit zu präsentieren und möglichst viele Menschen für die Rasse zu begeistern. So sind die Schleswiger Pferdezüchter jedes Jahr beim Schaunachmittag des Pferdestammbuchs Schleswig-Holstein/Hamburg in den Holstenhallen von Neumünster dabei. Besonders beeindruckten sie mit dem Schaubild „Werner Beinhart“ das Publikum. Gesche Petersen hatte Merlin gesattelt. Wegen seiner Unerschrockenheit ist er für solche Härtetests einfach supergeeignet. „Welches Pferd würde schon so ruhig und gelassen neben einer schrecklich lauten und stinkenden Motorcross laufen?“, meint seine Reiterin.
Trauriger Abschied von Jane
Ihren ersten eigenen Schleswiger bekam Gesche Petersen erst vor vier Jahren, etwa zeitgleich mit ihrem Umzug auf ihren Resthof. Ihre ganze Leidenschaft steckte sie in die Ausbildung der damals erst 2 ½ jährigen Stute Jane. Sie war sehr gelehrig und verstand sofort, was man von ihr wollte. Gleich bei seiner allerersten gemeinsamen Teilnahme an einem Ringreiterwettbewerb ergatterte das Paar 26 von dreißig möglichen Ringen und damit den ersten Platz. Das Glück schien perfekt. Doch die Stute erkrankte an einer periodischen Augenentzündung, auch Mondblindheit genannt. Ein Auge konnte zwar gerettet werden, aber die Erblindung war so stark, dass sie die Orientierung verlor. Um sich oder andere nicht zu gefährden, musste Jane schließlich eingeschläfert werden. Das war ein harter Schlag für Gesche Petersen. Die Kaltblutzüchterin Bente Lück, die von ihrem Verlust hörte, bot ihr spontan eine ihrer jungen Stuten an. „So kurz nach Janes Tod war ich eigentlich noch gar nicht bereit für ein neues Pferd“, erzählt Gesche. Dennoch schaute sie sich Mimi Muschel an und kaufte sie schließlich. Sie erinnert sich genau: „Es war der 26. März 2019, genau der zweite Geburtstag der Stute.“ Bisher geht sie auf ihren Ausritten als Handpferd mit, aber in diesem Jahr möchte sie Mimi Muschel einreiten.
Inzwischen hat Gesche auch ihren Papa mit ihrer Begeisterung für die Schleswiger Kaltblüter angesteckt. Obwohl er anfangs nichts von ihnen wissen wollte, ist er jetzt stolzer Besitzer einer Kaltblutstute. Mit Elegance möchte er seine Zucht aufbauen. Letztes Jahr im April kam das erste Fohlen Orchidee zur Welt. Auf diese Weise hat das Team Petersen seinen eigenen, kleinen Beitrag für die Erhaltung dieser liebenswerten Pferderasse geleistet.
Assia Tschernookoff