Ein wahrer aber nicht nur ernst zu nehmender Beitrag.
Bei der Suche im umfangreichen Pferdestammbuch–Fotoarchiv nach bestimmten Bildern für Online-Beitrage „schleichen“ neben den vielen Pferde- und Züchterfotos stets die Mitarbeiter vergangener Jahre ins Bild.
Na klar, das bleibt nicht aus! Besonders Claudia Hoffmann ist hier vertreten, die bis Ende 2017 für die Züchter und das Pferdestammbuch im wahrsten Sinne des Wortes herumgewirbelt ist. Kein Wunder, dass es viele Bilder mit Claudia gibt. Sie kam mir oft vor die „Linse“, natürlich perfekt abzulichten bei der Arbeit oder bei jeder Menge Blödsinnsituationen zwischendurch.
Zu gerne denke ich an die "Arbeits"-Zeiten mit Claudia zurück! Gefühlt haben wir viele Jahre mehr oder weniger intensiv zusammen gearbeitet - Claudia mehr, viel mehr…ich eher weniger - es sei denn Fotografieren wird auch als Arbeit gewertet.
Auf jeden Fall hatten wir neben der fast immer schweißtreibenden, konzentrierten, teilweise „wilden“ (hier und da durch uneinsichtige Fohlen) Arbeit am Bus - oft weit abseits der Kommission - richtig viel Spaß, super gute Laune und viele lustige Ideen.
In diesen Jahren hatte sich ein Satz etabliert, der bis heute Gültigkeit hat und zum Pferdestammbuch passt: Irgendwas ist immer….
Viele weitere Sätze und Schlagworte haben wir zusätzlich kreiert…darüber dann vielleicht später mehr….
Vor einigen Wochen habe ich bei Claudia angefragt, ob sie nicht Lust hat, mit einer oder mehr Anekdoten, denn es gibt genügend, zu unseren Geschichten beizutragen.
„Hmmm…“ ihre Antwort war klar: „ich kann gar nicht gut schreiben, hab auch viel zu tun hier, mach du doch mal. Ich mache mit, Bilder gehen klar“.
Also gut…los geht’s…aber bei der Flut an Bildern, welche Auswahl treffen? Und überhaupt, welches Jahr ist besonders geeignet, um darüber etwas zu erzählen?
Ich hab mich für das Jahr 2010 entschieden. Und dafür, viele Bilder rund um die Arbeit am Bus zu zeigen.
Es war das Jahr der Fußballweltmeisterschaft, die vom 11. Juni bis zum 11. Juli 2010 in Südafrika und damit erstmals auf dem afrikanischen Kontinent stattfand. Es kam die Vuvuzela ins Spiel und ins Land, mit der man laute und mega hässliche Geräusche machen konnte. Ziel der Vuvuzela war früher, den Feind in Angst und Schrecken zu versetzen. Manches Pferd, Hunde, andere Tiere und Menschen erschreckten sich, zumindest hat es extrem genervt. Anläßlich der Elitestutenschau (am 03.07.) im Ponypark Padenstedt war in einer Halle eine riesige Leinwand aufgebaut, Public Viewing vom Feinsten...welch ein toller Service im Ponypark. Ohne Vuvuzela zum Glück! Doch das nur am Rande…
Spannender aber für uns Züchter: 2010 war das Jahr der Umsetzung der Viehverkehrsverordnung (VVVO). Die hat uns zwar nicht in Angst und Schrecken versetzt…aber außerordentlich viel Arbeit verschafft. Damals ging ein Schreiben an alle Pferdezüchter des Pferdestammbuchs. Hier noch mal zur Erinnerung, es ist immer gut, wenn man als Züchter weiß, was zu tun ist:
Mit der Veröffentlichung der ersten Verordnung zur Änderung der Viehverkehrsverordnung (VVVO) am 08. März 2010 wurde für Deutschland die Entscheidung getroffen, dass alle Fohlen mit einem speziell für Pferde erstellten elektronischen Transponder (Mikrochip) gekennzeichnet werden müssen (Achtung: Die Vergabe des Transponders erfolgt nicht durch den Tierarzt, sondern durch gesondert damit beauftragte Stellen wie das Pferdestammbuch!).
Die Anzeige der Pferdehaltung ist in Deutschland seit 1998 Pflicht. Die 12stellige Registriernummer wird vom Kreisveterinäramt oder einer von dieser beauftragten Stelle vergeben. Sie muss – sofern noch nicht geschehen – dort beantragt werden, wo sich der Betrieb des Tierhalters befindet.
Mit der Übersendung einer Original-Abfohlmeldung erteilen Sie dem Pferdestammbuch den Auftrag auf Kennzeichnung des Fohlens und Ausstellung des Equidenpasses.
Wir dürfen jedoch nur dann Equidenpässe ausstellen, wenn die Registriernummer des Halters bekannt ist.
Tierhalter ist derjenige, auf dessen Betrieb die Pferde stehen!
Um uns die Arbeit bei der Passerstellung für Ihr Fohlen zu erleichtern bitten wir Sie darum, uns die Registriernummer auf beigefügtem Formular mit zu teilen. Beachten Sie bitte, dass wir nur einen Equidenpass für Ihr Fohlen ausstellen dürfen, wenn uns die Tierhalternummer vorliegt!
Bitte denken Sie in Zukunft auch daran, uns bei einem Umzug der Pferde die neue Halternummer mitzuteilen!
Im zeitigen Frühjahr hatten wegen der VVVO die Mitarbeiter des Pferdestammbuchs und einige externe Ehrenamtliche einen „Trainings-Termin", um Chippen, vor allen Dingen aber das Drumherum, Desinfektion und Hygiene betreffend, zu lernen. Kris Rosenbaum stellte dafür Stuten zur Verfügung und wir wurden von einem Tierarzt einer Klinik eingewiesen. Keine Angst, die Pferde haben nicht gelitten bei unseren ersten Versuchen. Alles okay mit dem Tierschutz und Tierwohl!
Im Jahr 2010 war außerdem Anna - sie war Praktikantin oder sowas bei Pferdestammbuch - mit on Tour. Anna war in jeder Beziehung „gut zu gebrauchen“, machte alles mit, verstand die Abläufe, hatte immer gute Laune.
Und schon ging’s los auf die Sommer-Brenn-Tour. Alle nannten das damals noch „Fohlenbrennen“. Wir begannen traditionell am 29. April in Padenstedt.
Am 23. Juni der nächste Tag der Sommer Tour in Ost-Holstein. Schnell wurde klar, wie wichtig es war, für die Registrierung, hier speziell für die Kennzeichnung der Fohlen Standard-Abläufe zu entwickeln.
Es war logisch, dass zuerst gechipt werden mußte, denn die Fohlen sollten bei der Prozedur so still wie möglich halten. Claudia entwickelte auch hier einen Standardsatz, den jeder Züchter zu hören bekam und vielleicht heute noch im Ohr hat: „Ich brauche die linke Seite zum Chippen! Sie stehen auf der rechen Seite des Fohlens. Fassen sie mit der rechten Hand unterm Hals durch und packen das linke Ohr des Fohlens! Und das gut festhalten!“
07. Juli!
Claudia konnte diesen Satz im Verlauf des Sommers einem so schnell um die Ohren hauen – wir hatten ja immer wenig Zeit – dass manch ein Gegenüber mit offenem Mund da stand, sie mit leerem Blick anschaute und deutlich machte, nix verstanden zu haben. Also noch mal den „Standardsatz zum Fixieren“ in atemberaubender Geschwindigkeit rausgeworfen. Die Antwort oft: „das geht nicht!“
Irgendwas ist immer! Aber geht nicht, gibt’s nicht. Es ging tatsächlich (fast) immer, egal ob großes oder kleines Fohlen. Die Züchter wurden Meister im Einnehmen ganz erstaunlicher Körperhaltungen und Verrenkungen.
09. Juli!
Hygiene und Desinfektion bekamen den genauen Standard-Ablauf, der sowieso vorgegeben war und nicht mehr geändert wurde, ich denke bis heute nicht.
Fohlenfixieren, Chipstelle scheren, die Stelle mit Tupfer desinfizieren, Handschuhe an, den vorher ausgelesenen Transponder setzen, Salbe auf die Implantationsstelle und das Ganze noch mal mit dem Lesegerät kontrollieren. Fertig, Chip sitzt!
12. Juli 2010 Ein Tag mit großer Hitze und dann Starkregen...
Irgendwas ist immer! Manchmal saß er – der Micro Chip - auch nicht, jedenfalls nicht im Fohlen…im Stroh wiederfinden, hmmm...doch ein bißchen zu micro!? Also alles noch mal neu…
Diese Zeit mußte der Fohlenfesthalter aushalten, ich habe das oft sehr bewundert.
Nach der Chip-Prozedur kam dann noch das Brennen. Auch hier war natürlich Standard gefragt. Das Eisen bereits vor dem Chippen fertig machen und mit der richtigen Nummer versehen, um dann das Brennen schnell erledigen zu können. Für das Brennen selbst brauchten, wie alle wissen, die Fohlen meistens nicht so fixiert zu werden. Nur beim Scheren der Brennstelle war noch mal "Man Power" gefragt.
Aber damit nicht genug: Papierkram war stets für jedes Fohlen zu erledigen. Ist es gezeichnet, ist der richtige Chipaufkleber auf der Grafik, Abrechnung usw., usw…
Und immer saß uns die Zeit im Nacken. Ein großes Glück, dass Anna dabei war und die Arbeit tatkräftig, mit allen Standards und Handgriffen vertraut, bestens unterstützte.
Und irgendwas ist auch sonst immer noch extra zu tun am Bus. Das ist bis heute so und ist okay, es ist der Job. Und sei es, einem Züchter etwas in Ruhe zu erklären oder auch mal Zeit für einen kleinen Klönschnack zu haben. Alles wichtig und richtig.
Dennoch … der ZEITPLAN, der ZEITPLAN…ein extrem empfindliches und fragiles Gebilde und im Sommer 2010 selten eingehalten – sozusagen überhaupt nie??? – so wie geplant und gehofft.
Die Kommission war einfach schnell. Meistens zu schnell für die Vielfalt und den zeitlichen Aufwand der Abläufe, die am Bus abgearbeitet werden mußten Das ist aber normal und kann auch niemand verwundern.
Da passierte es schon, dass zur dringenden Weiterfahrt mit den „Hufen gescharrt“ wurde, während am Bus die Arbeit noch im vollen Gange war und manchmal fast noch nicht das Ende zu sehen war, geschweige denn eine Kaffee- oder Zigarettenpause drin war.
13. Juli
Ich hab nicht erlebt, dass Claudia jemals die Nerven verloren hat oder unfreundlich wurde, wenn uns die Arbeit überrollte. Wer sie kannte, wußte schon, dass sie durchaus "genervt war", wenn es nicht zügig genug voran ging. Wir haben aber immer viel gelacht und weitergemacht. Und die Züchter haben sich anstecken lassen. In der Zeit entstand der etwas sinnbefreite Satz: „mal verliert man, mal gewinnen die anderen…“
14. Juli Ein langer und wieder heißer Tag in Schönhorst
Es hat sehr geholfen, dass das Team fröhlich, stets gut gelaunt und sehr motiviert unterwegs war. Bei der Weiterfahrt zum nächsten Termin wurde oft der Papierkram sortiert und verstaut und wir haben jede Menge Sprüche – auch Sprüche, die Züchter gemacht haben - und allerlei Erlebnisse oder Notizen, Stichworte für das nächste Jahr oder den nächsten Termin, in mein rotes dickes Notizbuch eingetragen.
Dieses Notizbuch hüte ich bis heute und hab immer wieder Spaß, die zum Teil sehr „albernen Sprüche und Notizen" zu lesen.
Aber halt Stopp...bevor jemand denkt, es ging nur albern und irgendwie lalala am Bus zu…nein, die anfallende Arbeit wurde IMMER seriös, gewissenhaft und sehr gründlich gemacht, bei Wind und Wetter, Hitze, Starkregen…egal. Immer! Auch das ist bis heute so!
15. Juli
Die hervorragende Teamarbeit hat stets geholfen und besonders Hygiene und Desinfektion wurden ernst und genau genommen und erreichten im Verlauf des Sommers einen sehr hohen Standard, der seinesgleichen sucht.
Ich behaupte heute, Mitte des Sommers 2010 waren wir dann unserer Zeit weit voraus. Aber das konnten wir damals noch nicht ahnen.
Darüber mehr im zweiten Teil dieser Arbeits- und Bildergeschichte mit Claudia und Anna.
03.09.2020 Jutta Schlüter