Diese Geschichte beginnt vor ziemlich genau acht Jahren und ich muss etwas ausholen, um sie zu erzählen.
Wenige Jahre zuvor musste ich aus gesundheitlichen Gründen meinen Vollerwerbs-Hof und meine Fjordzucht aufgeben.
Was das für einen leidenschaftlichen Pferdemenschen bedeutet, muss hier nicht weiter ausgeführt werden, denke ich.
In der Folgezeit standen meine berufliche Neuorientierung und zusätzlich die Folgen eines schweren Verkehrsunfalles im Mittelpunkt meines Lebens, so dass alles, was mit Pferden zu tun hatte komplett in den Hintergrund rückte.
Eigentlich wollte ich unter meine "Pferde-Vergangenheit" auch einen kompletten Strich ziehen, zu schmerzhaft waren die Erinnerungen an das, was aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr sein durfte.
Ja, EIGENTLICH...manchmal kommt es doch ganz anders, als gedacht:
Vor besagten acht Jahren entschlossen wir uns, gemeinsam mit meiner schwerkranken Mutter, Inka und die Klosterhofer auf Käffchen und Klönschnack zu besuchen - wir hatten uns schon länger nicht gesehen und eine Menge zu erzählen.
Nichts ist heilsamer, als wenn ein tierlieber Mensch, wie meine Mutter es ist, Hände und Nase im Fell von freundlichen Hunden, Katzen und natürlich Pferden versenken und nach Herzenslust knuddeln und kraulen kann.
Natürlich wurde zuerst Ponys geguckt.
Wir stiefelten über alle Koppeln und besuchten Hengste, Stuten und Nachwuchs jeden Alters.
Auf der Jungstutenwiese wurden wir - wie auf den anderen Wiesen auch - von einer Gruppe neugieriger Jungpferde umringt, die allesamt auf ein paar Streicheleinheiten aus waren und so wurde ausgiebig gekratzt und geklopft, sehr zur Begeisterung der vierbeinigen Damen.
Besonders eine der Jährlingsstuten wich mir nicht von der Seite und drängte sich geradezu unter meine Hände.
Als wir Richtung Tor gingen, legte sie mit ihr Maul vorsichtig an die Schulter und folgte mir so den ganzen Weg bis vorne.
Selbst als wir auf der Straße Richtung Hof gingen, lief die zarte, kleine Stute ganz alleine am Zaun mit, solange es ging.
Inka war ganz verwundert, denn ausgerechnet dieses Jungpferd ist normalerweise sehr scheu und zurückhaltend.
Dass die Lütte von sich aus Kontakt sucht, war ganz neu.
Ein paar Koppeln später geht mir die kleine Stute nicht so recht aus dem Kopf.
Als ich "nur so nebenbei" nach ihrer Abstammung fragte, grinste Inka nur sehr breit und sagte: "Die ist von Stedjeblakken und das einzige Stutfohlen von Jette Baroness, die bisher nur Hengste gebracht hat...kein Wunder, dass dir die gefällt!"
Stedjeblakken hatte ich selber einige Jahre als Pachthengst und er hat mir viele, wirklich sehr gute Nachkommen gebracht und Jette ist eine der besten Zuchtstuten, die wir im Norden haben und dazu eine ganz besondere Pferde-Persönlichkeit.
Ich beglückwünschte Inka zu dem vielversprechenden Jährling, der durch den blutsfremden Vater auch prima in der Klosterhof-Zucht einsetzbar ist.
"Na??? Die wäre doch auch was für dich???...die hat dich auf der Koppel gerade ausgesucht, die will zu dir - so sind die Pferde aus meiner J-Linie eben, die suchen sich ihre Menschen immer selber aus!"
Ja ne, ist klar! Das Thema "eigenes" Pferd ist für mich durch.......EIGENTLICH.....
Noch ein paar Koppeln weiter sind uns dann im Geiste sprichwörtlich "die Pferde durchgegangen" und Inka hat mich - mit einer verrückten Idee und dem von ganzem Herzen kommenden Angebot, mir die einzige Tochter ihrer Lieblingsstute anzuvertrauen - letztendlich davon überzeugt, dass ein Leben ohne Fjordpferd möglich, aber sinnlos ist.
Ich bat um einen Tag Bedenkzeit und führte ein eingehendes Gespräch mit meinem Lebensgefährten Ole darüber, was es bedeutet, ein Pferd in der Familie zu haben in Kombi mit einer wirklich pferdeverrückten Frau, die fast ihr ganzes Leben nichts anderes gemacht hat.
Er hatte bis zu diesem Moment noch nie etwas mit Pferden zu tun und mich noch dazu nach meiner beruflichen Umschulung in meiner "pferdelosen" Zeit kennen gelernt.
"Na klar, machen wir, die Stute war doch niedlich und wenn es dich (und Mutti) glücklich macht umso besser!"
...er hatte ja KEINE Ahnung, was da auf ihn zukommen würde ;-)!
Ein Stellplatz in der Nähe war schnell gefunden und so zog "Klosterhof´s Jarle Baroness" ein paar Tage später bei uns ein.
Sehr zur Freude von Inka, deren "Refjordisierungsmission" damit geglückt war und die ihre besondere Nachwuchsstute bei mir in fördernden Händen wusste.
Es stellte sich heraus, dass Ole ein natürliches Gespür für den Umgang mit dem jungen, unerfahrenen Pferd hatte und so hatte ich gleich zwei "Azubis": Einen Vierbeinigen und einen Zweibeinigen ;-).
Schnell hatte die kluge, ideenreiche Jarle den Spitznamen "Else" weg, denn wo immer die Herde Blödsinn machte, war "die gelbe Else" ganz vorne mit dabei - sehr zum Verdruss des Hofbesitzers der jetzt zwangsläufig feststellen musste, dass seine hochgelobten Zäune keinesfalls fjordsicher waren.
Wir ließen Jarle von Anfang an eine konsequente, vielseitige Grunderziehung angedeihen: Alleine von der Herde weg, spazieren gehen, Verladetraining und die alltägliche Bewältigung von Hofleben mit viel Betrieb.
Später auch das Mitlaufen als Handpferd beim Reiten und an der Kutsche.
Natürlich alles in jungpferdegerechter Dosis.
Von Anfang an fuhren wir gelegentlich auf eine Schau, damit Jarle lernt, auch auf Veranstaltungen gelassen zu bleiben. Dass wir dort auch fast immer recht gut abschnitten, fand ich erfreulich, aber eher zweitrangig, mir ging es mehr um den Lerneffekt für das junge Pferd.
Mit vier Jahren hatte sich der kleine, sehr zarte Jährling zu einer typstarken, kräftigen Stute entwickelt.
Wie viele der "Baronessen und Barone" vom Klosterhof ist sie im Exterieur eher gedrungen und kurzbeinig, dabei aber mit guten, energischen Bewegungen und einer wirklich herausragenden Rittigkeit und Leistungsbereitschaft ausgestattet.
Ein alter Züchter kann‘s nicht lassen und so wurde Jarle natürlich zur Stutbucheintragung vorgestellt.
Mit den Noten 8778888 durfte sie zur Elitestutenschau und eine bestandene Feldprüfung bescherte ihr den Titel Staatsprämienstute.
Inka wünschte sich ein Fohlen von Jarle und so ließen wir sie 2016 von Giersberg´s Tjure decken.
Das aus dieser Anpaarung fallende Stutfohlen "Jola Baroness" wurde hoch prämiert, dreijährig mit einer Bezirksprämie eingetragen, hat sich ganz J-typisch "ihren Menschen" ausgesucht und lebt mittlerweile in Tirol.
Wie es mit der "Bundes-Else" weitergeht, kann man demnächst hier lesen...
14.08.2020 Christina Tietgen , Fotos: Ole Jörke