Info-Veranstaltung zum EIP-Projekt „Erhaltungszucht Schleswiger Kaltblut“
Am 27. August hatte das Pferdestammbuch alle Züchter, Besitzer und am Schleswiger Kaltblut Interessierten nach Nortorf eingeladen, um nach der Übergabe des Förderbescheids durch das Landwirtschaftsministerium möglichst alle Züchter und Halter dieser Rasse in das Projekt einzubinden.
Zunächst berichtete Markus Hartmann vom Innovationsbüro EIP Agrar Schleswig-Holstein über die grundlegenden Ideen und Hintergründe dieser Fördermaßnahmen. Wichtigster Punkt hierbei ist die geforderte Zusammenarbeit von Wissenschaft, Beratung und Praxis, um Innovationen möglichst praxisnah zu erarbeiten und umzusetzen. Im Anschluss erläuterten Prof. Dr. Swalve von der Universität Halle und Dr. Kathrin Stock vom vit (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung e. V.) in Verden das konkrete Vorhaben, das sich aus drei Teilbereichen zusammensetzt:
Eines der wesentlichen Ziele des Projekts sind die genauere Ermittlung der genetischen Inzucht sowie der Aufbau von Datenerfassung und Datenanalysen, um Vererbungstendenzen für bestimmte Merkmale ableiten und damit verbesserte Anpaarungsempfehlungen für die Züchter geben zu können. Wichtig für die Erhaltung der Rasse ist zudem die Erstellung eines sogenannten Erhaltungszuchtprogramms, das bis zum Projektende (07/2027) erarbeitet werden soll. Erhaltungszucht ist das gezielte Management von kleinen Populationen unter menschlicher Obhut. Das Programm hat dann das Ziel, hohe genetische Inzuchtraten zu vermeiden und damit dem Verlust genetischer Ressourcen entgegenzuwirken. Gerade in kleinen Populationen sind Erhaltungszuchtmaßnahmen zur Kontrolleder Inzuchtrate essenziell und überlebensnotwendig. Die im Projekt genutzte moderne Laboranalytik ermöglicht, anhand „genetischer Fingerabdrücke“ Anpaarungsentscheidungen, die auf den Rasseerhalt ausgerichtet sind, bestmöglich zu unterstützen. So kann der Verlust genetischer Vielfalt geringgehalten und das Überleben einer Rasse gesichert werden. Aus den Vorträgen gingen die züchterischen Aufgaben in kleinen Populationen klar hervor: Es geht nicht um Leistungszucht, also die gezielte Zuchttierauswahl zur Verbesserung von Leistungsparametern (beim Sportpferd z.B. Springvermögen) sondern Erhaltungszucht – und damit um den Erhalt des gesamten Genpools. Durch die SNP-Genotypisierung lässt sich Erbgut aller relevanten Tiere einer Rasse charakterisieren und wird für die Zucht und Anpaarungsplanung nutzbar.
Nach den Vorträgen hatten die Anwesenden viele Fragen zum Projekt, auf die hier noch einmal kurz eingegangen werden soll:
Fragebögen: Die in einem Pilotprojekt bislang genutzten Fragebögen sollen angepasst werden, da einige Informationen zu ungenau sind oder sich auch von Jahr zu Jahr ändern. Die neuen Fragebögen werden dann ab Kalenderwoche 38 auf den Internetseiten des Pferdestammbuchs und des VSP (Verein Schleswiger Pferdezüchter) zum selbstständigen Abruf veröffentlicht. Sehr gerne stehen die Mitglieder der Operationellen Gruppe (s.u.) und Gesche Petersen (zu erreichen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder 0157-71309903) beim Ausfüllen zur Seite. Die Teilnahme mitEntnahme und Einsendung von Haarwurzelproben und Ausfüllen der Fragebögen ist weiterhin freiwillig und wird dies auch während des gesamten Projektzeitraumes bleiben. Appelliert wird bei der Fragenbeantwortung an die Ehrlichkeit der Pferdebesitzer, ohne die die Auswertung der Fragebögen keinen Erfolg haben wird.
SNP-Genotypisierung: Bislang werden jeweils nur wenige Marker aus dem gesamten Genom eines Pferdes genutzt, um z. B. die Abstammung zu überprüfen oder – nach erneuter Probenahme und zusätzlicher Laboruntersuchung – die Farbgenetik zu bestimmen oder die genetische Veranlagung hinsichtlich bestimmter Gendefekte zu testen. Mittels der neuen Methode wird nur einmal genetisches Material – meist aus Haarwurzeln – im Labor aufbereitet und untersucht. Anhand des erstellten „genetischen Fingerabdrucks“ (aus SNP genannten genetischen Markern) können dann Aussagen zur Inzucht und zur Verwandtschaft zwischen Pferden getroffen sowie jederzeit bestimmte Merkmale, deren Platzierung im Genom bekannt ist, abgefragt werden. Zurzeit steht bei den Merkmalen die Farbgenetik im Vordergrund, so dass sich ermitteln lässt, ob unter den Nachkommen (je nach Anpaarung) Füchse, Braune oder Rappen sein können. Einige der bereits häufig untersuchten Gendefekte wie z. B. PSSM1stehen über das bewährte Verfahren zur Verfügung. Beim Warmblutpferd wurde bereits ein Verfahren zur Ermittlung der genetischen Größe etabliert.
Aufgrund des noch nicht aufgeklärten Erbgangs bislang nicht feststellbar ist die Veranlagung für z.B. Sommerekzem, Mauke und Raspe oder weitere Eigenschaften mit genetischer Grundlage. Die Forschung wird aber weitergehen, so dass in Zukunft sicher noch einiges mehr abzulesen sein wird. Auch weiterhin wird das dann aber nicht pauschal für jedes untersuchte Pferd und jedes ablesbare Merkmal geschehen, sondern nur gezielt auf Anfrage. Andere Rassen sind dabei, die genannten und weitere Erkrankungen bzw. die Veranlagung dazu zu erforschen, um sie in Zukunft im Genom finden zu können. Das aktuelle Projekt hat den Fokus nicht auf Erbkrankheiten gelegt, ermöglicht aber – wenn gewünscht – die Unterstützung laufender Forschungsarbeiten. Kontakte zu anderen Kaltblutrassen bestehen und können genutzt und ausgeweitet werden. Eindeutig anhand der SNP-Marker erkennbar ist aber schon jetzt die genetische Ähnlichkeit bzw. Distanz der einzelnen Pferde zueinander. Diese vorhandene Varianz kann bei Anpaarungen genutzt werden. Aufgrund desdirekten Bezugs auf die Erbsubstanz („genetischer Fingerabdruck“) ergibt sich eine wesentlich genauere Bestimmung der Inzucht als durch Ableitung aus den Pedigreedaten des Einzeltieres. Dies wird auch ermöglichen, geeignete Pferde für die Tiefgefriereinlagerung genetischen Materials zu identifizieren. Projektmittel für die Einlagerung von Spermaproben und Embryonen stehen zur Verfügung. Wie genau die Bereitstellung der neuen Informationen an die Züchter erfolgen soll wird im Projekt gemeinsam erarbeitet. Die Kosten für die Laboranalyse (SNP-Typisierung) werden in den kommenden drei Jahren über das EIP-Projekt getragen, Auskünfte für den Pferdebesitzer wie z. B. zurFarbveranlagung werden gegen eine kleine Gebühr durch das Pferdestammbuch erteilt. Die Daten werden in denDatenbanken verwaltet, die das Rechenzentrum vit für die Zuchtverbände betreibt. Zugriff hat jeweils nur der zuständigeZuchtverband. Für die wissenschaftliche Auswertung werden keine Personendaten verarbeitet. Auskünfte zum Einzelpferd bekommt ausschließlich der betreffende Züchter bzw. Eigentümer des Pferdes.
Lineare Beschreibung: Die lineare Beschreibung wird bereits seit Jahrzehnten in der Rinderzucht genutzt und ist auch bei den Reitpferdezuchtverbänden seit über 10 Jahren etabliert.Anders als die bei der Zuchtbuchaufnahme genutzten Noten wird bei der linearen Beschreibung das Merkmal in seiner Ausprägung genauer erfasst, z. B. steiles Hinterbein – mittlereWinkelung – stark gewinkeltes Hinterbein. Die Abweichungen vom Mittelwert werden in die eine oder andere Richtung meist in drei Stufen festgehalten. Für manche Merkmale ist die mittlere Ausprägung als züchterisch erwünscht anzusehen – beispielsweise bei Merkmalen, die die Gliedmaßenkorrektheitbeschreiben. Bei anderen Linearmerkmalen kann die Ausprägung in eine der beiden Richtungen vorteilhaft oder ein Optimum im eigentlichen Sinne gar nicht festzulegen sein. Sinn macht die Beschreibung zum einen als Information für den Züchter, die vor allem dann wertvoll ist, wenn ansonsten nur Noten ohne Erklärung vorliegen. Zum anderen ermöglicht das standardisierte Vorgehen, Auswertungen im Hinblick auf die Vererbung. So lässt sich z.B. eine Aussage „der Hengst vererbt sich groß oder klein etc.“ durch Bezugnahme auf die Linearprofile der Nachkommen absichern. Das erfordert Programmierarbeit und damit Kosten, die das Pferdestammbuch nicht für alle Rassen tragen kann, insbesondere, weil die Schwerpunkte der Rassen und damit die Merkmale unterschiedlich sind. Durch das jetzt geförderte Projekt ist die Finanzierung für das Schleswiger Kaltblut gesichert. Die fortgesetzte Anwendung erstellter Programme wird dann voraussichtlich auch nach Projektende finanzierbar sein. Die Schulung von Personal für die Begleitung und Durchführung der linearen Beschreibung ist ebenfalls imProjekt finanziell eingeplant und abgedeckt.
Zuletzt wurde dann noch die Frage gestellt, inwieweit der Züchter – insbesondere hinsichtlich der Vermarktung – von dem Projekt profitiert. Auch wenn Marketing kein konkretes Ziel der Fördermaßnahmen ist, sollte alleine die im Förderbescheid geforderte Öffentlichkeitsarbeit den Schleswiger und seine guten Eigenschaften bewerben.
Am Ende der Info-Veranstaltung wurden noch einmal alle Besitzer von Schleswiger Pferden - auch Wallache und nicht in der Zucht genutzte Stuten unterstützen die Bestandsaufnahme - gebeten, sich aktiv in das Projekt einzubringen: Für die SNP-Genotypisierung werden trockene Haarwurzelproben (= mit Haarwurzeln ausgerupfte, genügend dicke Büschel von mind. 50 Haaren) in mit Lebensnummer beschriftete Papierumschläge oder Plastiktüten gesteckt und an das Pferdestammbuch gesendet, das die Proben dann mit den geforderten Einsendeunterlagen an das Labor weiterleitet. Jeder ausgefüllte Fragebogen und jedes für die lineare Beschreibung zur Verfügung gestellte Pferd leistet einen wertvollen Beitrag zur Information über den Schleswiger
Die Operationelle Gruppe besteht aus:
Pferdestammbuch Schleswig-Holstein / Hamburg e.V., Kiel (Lead-Partner)
Gert Petersen, Achtrup,
Mechthild Bening, Bebensee
Inken Schmidt, St. Annen
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften
Tierarztpraxis Gestüt Buchenhof GmbH, Dägeling
Verein Schleswiger Pferdezüchter e.V. (VSP), Bad Segeberg
Forschungsförderung Schleswiger Kaltblut e.V., St. Annen
Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.V. (vit), Verden
„Assoziierter Partner“:
Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Greifswald-Insel Riems